3
Mrz
2011

Ein Museumsbesuch.

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St. Josef-Elisabeth besucht… Kolumba!

Als eines der ersten Pflegeheime beteiligt sich das Caritas-Seniorenheim St. Josef-Elisabeth in Köln-Mülheim an den Bemühungen, auch der Gruppe von demenziell erkrankten Menschen eine Teilhabe an kulturellen Ereignissen zu ermöglichen. Und so konnten Anfang April einige besonders kunstinteressierte Bewohnerinnen das neue Diözesan-Museum Kolumba besuchen. Es wurde ein wundervoller, nicht allein von den lauen Frühlingsdüften beschwingter Besuch, der gewiss noch lange nachwirken wird.

Das Museum wurde von Peter Zumthor, einem der bedeutendsten zeitgenössischen Architekten, entworfen, im Jahre 2007 fertig gestellt und inzwischen schon mehrfach für seine Gestaltung ausgezeichnet. Der Neubau ruht auf den Ruinen der im 2. Weltkrieg zerstörten romanischen Kirche St. Kolumba und ist in hellem Backstein errichtet. Ein „Filtermauerwerk“ in der archäologischen Zone, raumtiefe Fenster sowie Oberlichter in den vier ‚Türmen‘ sorgen für ein lichtdurchflutetes Haus, in dem die einfallenden Licht- und Schattenspiele der Jahreszeiten ein ganz eigenes Kunstwerk entfalten.

Jährlich wechselnde Themenausstellungen geben Einblicke in die Sammlung, die Kunstwerke aus über 2000 Jahren Kulturgeschichte zeigt. Das aktuelle Thema ‚Hinterlassenschaften‘ beschäftigt sich „mit dem, was zurückbleibt: mit den Dingen, die wir gestalten und benutzen, die uns behausen und bekleiden, mit denen wir spielen und an denen wir arbeiten“. Erinnerungsarbeit also.

Dabei wird - ein durchgängiges Prinzip - sakrale und weltliche, alte und neue Kunst zu einem spannungsreichen miteinander vereint. Zum Beispiel Kleidung: Die liturgischen Gewänder von Kardinal Frings werden in einem abgedunkelten Raum geradezu zelebriert. Sie befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu Modezeichnungen von Paul Thek für die New Yorker Haute Couture der 50er Jahre.

Die Damen von St. Josef-Elisabeth (in einem Alter zwischen 80 und immerhin 93 Jahren) waren nicht wenig erstaunt, wie nah die kunstvoll gefertigten Messgewänder des Kölner Nachkriegs-Kardinals den präzisen Schnitten der Modeschöpfer waren, wenn diese weit schwingende und doch körperbetonte Abendkleider in Samt, Seide und Brokat entwarfen. Man bewegte sich also entlang eigener gelebter Erfahrungen: mit dieser Mode - wenn auch in alltagstauglicher Form - waren Bewohnerinnen von St. Josef-Elisabeth nach dem Krieg durchaus vertraut; und Kardinal Frings kannten man schon vom sprichwörtlich gewordenen „fringsen“ her.

Im selben Ausstellungsraum findet sich auch ein eigentümliches Kruzifix. Die Besonderheit ist ein vollständig - mit dunkelblauer Tunika und rotem Pallium (einer Art Mantel) - bekleideter Christus, der über seine Häscher bereits triumphiert zu haben scheint. Mehr als 800 Jahre alt ist diese erstaunliche Darstellung, die vom Niederrhein stammt.

Immer wieder entwickeln solche Gegenüberstellungen von sakraler und weltlicher Kunst eine bildmächtige und zugleich emotionale Intensität, die noch lange nachzuklingen vermag, weil Freude, Betroffenheit und Staunen ihren Weg auch in tiefere Schichten der Erinnerung suchen und finden.

Weitere Höhepunkte: Ein Raum mit 189 Fotografien aus zwei Jahrhunderten, die allesamt Hochzeitsbilder zeigen, in den originalen Rahmungen. Unverkennbar ist bei den meisten dieser Fotos das Bemühen der Brautleute, so etwas Zerbrechliches wie eine gemeinsame Identität zu begründen, mit der man leben, auf die man buchstäblich bauen kann. Auch auf den Gesichtern der Bewohnerinnen von St. Josef-Elisabeth ist abzulesen, wie sehr bei diesem Thema eigene Erinnerungen angestoßen werden…

Oder die scheinbar belanglosen ‚Kritzeleien’ eines Heinrich Küpper. Arbeiten aus 30 Jahren, grafische Zeichen in malerischer Verdichtung. Gesammelt sind sie in vielen Künstlerbüchern, die in ihrer geistlichen wie in ihrer visuellen Nähe zu den kunstvollen klösterlichen Bibelhandschriften des Mittelalters eine unverkennbar liturgische Qualität bekommen. Und dann natürlich, als Höhepunkt, die unvergleichliche ‚Madonna mit dem Veilchen‘ des Kölner Malermeisters Stefan Lochner, die um 1450 entstand.

Selten sah man den Bewohnerinnen von St. Josef-Elisabeth solche Konzentration an, schienen sie doch gänzlich anderen Eindrücken hingegeben, als sie ihr Alltag sonst mit sich bringt. Eindrücke, die über ihre alltäglichen Erfahrungen weit hinausgehen und die dennoch ein uraltes Grundbedürfnis von Menschen berühren: nämlich auch an jenen Bereichen des Lebens teilzuhaben, die nicht nur durch ihren Nutzen bestimmt sind, sondern vor allem durch ihre Schönheit.

Aber auch Schönheit vermag nicht allein die Sinne zu befriedigen. Und so lockte das anhaltend milde Frühlingswetter des Spätnachmittags noch in ein kleines italienisches Café gleich nebenan. Unkompliziert wurde von dem freundlichen Besitzer draußen Platz für die kleine Gruppe geschaffen, Cappuccino und italienisches Mandelgebäck. Davor Kunst. Köstlich.
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Kulturelle Teilhabe für Senioren und besonders für Menschen mit Demenz

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ermöglicht Senioren und besonders Menschen mit Demenz eine umfassende Teilhabe an Kunst und Kultur. Dazu beraten wir Kulturinstitutionen (Schwerpunkt: Ausstellungskonzepte für Museen) ebenso wie Kommunen und Senioreneinrichtungen.

 

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